Zum Frühstück gab es Nespresso und Franzbrötchen, draussen tobten sich alle Grautöne dieser Welt sowohl am Himmel als auf der Ostsee aus, während in der Finnmaid die Passagiere in zwei Parallelwelten ihre Zeit totschlugen. Die Fähre ist in erster Linie ein Frachtschiff. Container stapeln sich mit und ohne Trailer, daneben stehen PKW’s wie Spielzeugautos. Auch Wohnmobile und Wohnwagen, eine Jacht und landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge sind an Bord. Demensprechend tummeln sich hier Reisende in originellen Ferienoutfits und LKW-Fahrer mit abgelöschten Gesichtern. Der Kontrast könnte noch grösser sein, aber mir reicht er schon, um mir Gedanken über die Welt zu machen. Die letzten Nachrichten, die wir empfingen, bevor wir in die netzfreie Ostsee fuhren, waren schrecklich. Ich habe auf unserer Reise fast jeden Abend «Heute Journal» im ZDF geschaut, bin mir also durchaus bewusst, dass wir in einer Realität unterwegs sind, die viel schöner ist als die der meisten Menschen auf der Erde. Das fühlt sich oft schlecht an. Es läuft so viel falsch auf unserem Planeten und wir haben es nicht drauf, daran etwas zu ändern.
Wir treffen selten persönlich auf LKW-Fahrer, dabei transportieren sie unsere Konsumgüter täglich durch Europa. Sie schleichen unfröhlich durch die Gänge und leisten sich kein Frühstücksbuffet für sechsundzwanzig Euro neunzig. Sie sitzen auch nicht in der Lounge in bequemen Sesseln und schauen den Urlaubsreisenden zu, wie sie auf ihrem MacBookAir herumklappern, so wie ich gerade. Sie sitzen rauchend draussen in der dieselölschweren Meeresbrise und sehen Tanker- und Containerschiffe in horizontalen Fernen vorbeiziehen.
Das Unglück kommt näher, in Deutschland kam das Wasser. Das «Heute Journal» hat jeden Abend über die Not der Flutopfer berichtet, gestern aber nicht. Es war auch so schon genug.
Wir haben der Versicherung den Diebstahl unseres eFlizzers am Sonntag online gemeldet und heute, Dienstag ist das Geld schon auf unserem Konto. Ausserdem habe ich einen neuen eFlizzer bestellt, Roman hat ihn in Zürich abgeholt und nach Bern transportiert, mein Bruder Christoph hat ihn in Bern abgeholt und mit nach Rheinfelden genommen und heute wird er abgeschickt nach Hamburg, wo wir ihn in den nächsten Tagen erhalten. Das ist einfach super und ich bin sehr glücklich über eine so hilfsbereite Familie! Danke! Wir werden also die letzten Wochen unserer Reise moblil sein und hoffen, dass es keine weiteren Räubergeschichten gibt.
Bei der Ankunft in Travemünde war es schon stockdunkel. Wir fuhren von Bord in ein verregnetes Deutschland. Auf dem Campingplatz schliefen schon alle, wir stellten uns irgendwo ab und freuen uns auf einen neuen Tag.